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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stellungnahmen → Es gibt durchaus gute gründe
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Der Bund für vereinfachte rechtschreibung nimmt stellung

Es gibt durchaus gute gründe für eine gute ortografie

Zu Ulrich Bumann, «Wie eine Butike ohne Scharm», Kölnische Rundschau, 28. 7. 2018

Zugegeben: Richtiges Schreiben ist nach wie vor eine komplizierte, bisweilen mühselige Angelegenheit, das Regelwerk hat seine Tücken und Willkürlichkeiten. Und wer gelernt hat, dass es durchaus sinnvoll ist, in Geografie und Biografie ein ph gegen ein f zu tauschen, kann getrost darüber rätseln, warum er nach wie vor Philosophie und Physik und nicht Filosofie und Fisik […] schreibt. […] All diesen Widrigkeiten zum Trotz: Es gibt durchaus gute Gründe für die Einheitlichkeit der Rechtschreibung, für ein verbindliches Regelwerk.


Diese argumentation ist ein schönes beispiel, wie man sogar an sich selbst vorbei reden kann. Stellen Sie sich folgende situation vor: Ihr haus wurde in einer farbe gestrichen, die schrecklich aussieht und zum gespött der passanten wird. Der malermeister rechtfertigt sich: «All diesen widrigkeiten zum trotz: Es gibt durchaus gute gründe für die farbe auf der fassade; sie schützt das mauerwerk, und sie ist von unten bis oben einheitlich.» Man wird ihn wohl fragen, ob denn nicht auch eine schöne farbe das mauerwerk schützt. Auch sie kann einheitlich aufgetragen werden und sogar das haus besser in die umgebung integrieren. Aber da ist noch das argument: «Wenn ich jetzt unten mit einer neubemalung anfange, ist die einheitlichkeit zerstört.»

Was heisst denn «einheitlichkeit der rechtschreibung»? Dass man die laute /f/, /ei/, /sch/ usw. einheitlich schreibt? Oder /k/ und /z/? Letzteres wurde an der ortografischen konferenz von 1901 erreicht. Aber: «Das Ergebnis […] war nur dadurch zustande gekommen, daß die Anhänger verschiedener Richtungen sich gegenseitig Zugeständnisse machten. Das geschah meistens durch Zulassung von Doppel­schreibungen […]. Den Gelehrten, die sich über Formen wie Akzent, Kuvert u. dgl. entsetzten, stellte man nach wie vor Accent, Couvert zur Verfügung. So stehen denn die gelehrten Schreibungen oft friedlich neben den volkstümlichen.» (Konrad Duden, 1905.)

Es gibt durchaus gute gründe für eine gute ortografie – sie erfüllt ihren zweck besser als eine schlechte. Einer ihrer zwecke ist, möglichst verbindlich zu sein. Die verbindlichkeit wird aber (ausser in der schule) nicht durch die obrigkeit verfügt; die ortografie muss sie sich «erarbeiten». Wenn zwei drittel der deutschsprachigen nicht wissen, wie man «Rhythmus» schreibt, ist das ja wohl der sache nicht förderlich. Diese tatsache kann man natürlich ignorieren und sich weiterhin der illusion hingeben, die menschen würden vielleicht irgend­wann die uneinheitliche rechtschreibung beherrschen und einheitlich anwenden. Oder man könnte mit einem federstrich (oder einem mausklick) die ortografie verbessern – eine sache ändern statt die menschen. Mindestens zwei drittel der deutschsprachigen könnten nichts dagegen haben, wenn die schreibweise von «Rhythmus» geändert würde.

Rolf Landolt